Micha und die Frau mit dem teuren Öl

Michaela, von allen nur Micha gerufen ist Konfirmandin.

Sie hat sich für ein Gottesdienstprojekt gemeldet. Der Pfarrer möchte den Gottesdienst an Palmsonntag mit einigen Konfirmandinnen und Konfirmanden vorbesprechen. Ihre Fragen und Anfragen sollen zu Wort kommen. Er hat vorab den Bibeltext verteilt und sie gebeten, Fragen, Ideen, Texte und auch Lieder die dazu passen, mitzubringen. Sie jedenfalls hat ein Buch dabei.

Micha ist gespannt. So richtig kann sie sich das noch nicht vorstellen. Auf jeden Fall treffen sich die vier Konfis, die mitmachen im Gemeindehaus.

Als alle da sind, schlägt der Pfarrer vor, zunächst noch einmal den Bibeltext zu lesen:

Und als er in Betanien war im Hause Simons des Aussätzigen und saß zu Tisch, da kam eine Frau, die hatte ein Glas mit unverfälschtem und kostbarem Nardenöl, und sie zerbrach das Glas und goß es auf sein Haupt.

Da wurden einige unwillig und sprachen untereinander:

Was soll diese Vergeudung des Salböls?

Man hätte dieses Öl für mehr als dreihundert Silbergroschen verkaufen können und das Geld den Armen geben.

Und sie fuhren sie an.

Jesus aber sprach: Laßt sie in Frieden! Was betrübt ihr sie?

Sie hat ein gutes Werk an mir getan.

Denn ihr habt allezeit Arme bei euch, und wenn ihr wollt, könnt ihr ihnen Gutes tun; mich aber habt ihr nicht allezeit.

Sie hat getan, was sie konnte; sie hat meinen Leib im voraus gesalbt für mein Begräbnis.

Wahrlich, ich sage euch:

Wo das Evangelium gepredigt wird in aller Welt, da wird man auch das sagen zu ihrem Gedächtnis, was sie jetzt getan hat.

Mk 14,(1-2)3-9

Was ist euch aufgefallen, will der Pfarrer wissen.

Jan grinst: „Dass es da ziemlich gestunken, äh geduftet haben muss“.

Typisch Jungs, denkt Micha. Mal gespannt, was der Pfarrer darauf sagt. Aber zu ihrem Erstaunen lacht er.

„Richtig! Wenn man einen Predigttext nicht nur hören und lesen würde, sondern auch riechen, dann wäre das eine sehr intensive Geschichte. Aber darüber hinaus….“

Warum ist Jesus im Haus eines Aussätzigen zu Gast?“ will Saskia, eine von Michas Freundinnen wissen. „Aussatz, das haben Sie uns doch mal erzählt ist eine ansteckende Krankheit und macht einen darüberhinaus – selbst wenn man sich nicht angesteckt hat – unrein. Aussätzige mussten deshalb doch außerhalb des Dorfes leben… Wie kann das also sein?“

Der Pfarrer nickt. „Erinnert ihr euch noch an die Geschichte, die ich euch in dem Zusammenhang erzählt habe….?“

Micha erinnert sich sofort, weil sie sich damals aufgeregt hat. „Das war doch als Jesus zu solchen Menschen gegangen ist ohne sich um all diese Dinge zu kümmern. Und sie geheilt hat. Und nur einer ist zurückgekommen, um sich zu bedanken!“

Super, das Du das Dir das gemerkt hast.

Ich fand das so doof, dass es nur einer war!“

Und dieser eine – das war dieser Simon?“ will Sakia wissen.

Vielleicht, man weiß es nicht 100%, aber es spricht schon viel dafür. Aber klar ist, dass er natürlich keinen Aussatz mehr hat. Sonst dürfte er wirklich nicht im Dorf wohnen und Gäste empfangen.

Darf die Frau das? Einfach so in das Haus kommen?“ will Tom wissen.

Nach damaligen Gepflogenheiten war es durchaus gestattet und kam des Öfteren vor, dass Bewohner des Ortes während eines Essens in ein offen stehendes Haus kommen, gerade auch beim Schabbat.

Interessierte konnten sich an der Wand aufstellen, um bei den religiösen Gesprächen zuzuhören. Auch eine Beteiligung am Tischgespräch war möglich.

Aber Frauen waren bei den Essen der Männer prinzipiell nicht anwesend.

Es ist also ein Unding, was sie macht. Ein gesellschaftliches No Go.

Sie stört – als Frau – die Männerrunde beim Essen und vermutlich Jesus bei einem Lehrgespräch.

Aber was ist das Spannende an der Sache?

Tom antwortet am Schnellsten: Dass sich darüber scheinbar keiner aufregt. Die regen sich alle nur über das Geld auf. Muss eine Menge gewesen sein. Wieviel wären 300 Silbergroschen denn heute wert?

Na, es wäre das Jahresgehalt eines guten Arbeiters.

Jan schaltet sich wieder ein: Eine ganze Flasche Parfum – welch ein Gestank.

Saskia fällt ihm ins Wort: Stimmt nicht. Narde stinkt nicht. Ich habe es gegoogelt. Narde duftet. Sie riecht gut. Aber es stimmt: sie war damals schon sehr teuer. Denn sie wuchs nur in Indien und China, auf großen Höhen. Es war aufwendig, sie zu ernten und zu verarbeiten. Am Mittelmeer wurde sie zu hohen Preisen verkauft.

Jan lässt sich nicht unterkriegen: „Sag ich doch. Die hat ein Vermögen verschleudert. Statt Jesus die Haare damit einzudulfen hätte man das teure Produkt samt der ebenso teuren Alabaster-Verpackung doch verkaufen und vom Erlös den Armen helfen können.“

Tom pflichtet ihm bei. Ich versteh die Gäste und die Jünger. Jesus war doch sonst auf der Seite der Armen und hat über sich kein großes Aufhebens gemacht.

Der Pfarrer hat interessiert zugehört. Umso interessanter, dass er es hier nicht macht! Er verteidigt sie ja sogar. Arme habt ihr allezeit bei euch – leider hat er Recht. Armut ist heute noch mit das größte Übel und Jesus will durchaus, dass wir dagegen etwas tun.

Micha meldet sich. Das passt zu dem, was ihr aufgefallen ist und was sie schon die ganze Zeit sagen wollte. Jesus sagt ja noch etwas zum Schluss und hat Recht behalten.

Wo das Evangelium gepredigt wird in aller Welt, da wird man auch das sagen zu ihrem Gedächtnis, was sie jetzt getan hat.“

Der Pfarrer lächelt. Gut beobachtet. Stimmt. Hast Du auch eine Idee, warum das so ist? Warum diese Geschichte nicht einfach als ein unbedeutendes Zwischenspiel in Vergessenheit geraten ist?

Micha: Es muss etwas Besonderes gewesen sein, was sie getan hat.

Wenn in Israel ein Prophet in Gottes Auftrag einen der Bürger des Landes zum König macht, dann setzt er ihm keine Krone auf, wie man das europäisch erwarten würde. Statt dessen salbt der Prophet diesen Menschen mit kostbarem, duftendem Öl zum König. In der armen Hütte des aussätzigen Simon wird Jesus von Nazareth als König inthronisiert.

Tom gibt zu Bedenken: „Das hat ihm aber nicht viel geholfen. Einige Tage später wird er getötet.“

Das nimmt aber seinen Anspruch nicht hinweg. Dass er sterben wird ist vielleicht sogar in der Handlung der Frau zu erkennen. Vielleicht ist es eine Zeichenhandlung, wie es Propheten manchmal taten.

Micha ist ganz hippelig, weil sie plötzlich weiß, was der Pfarrer meint und fällt ihm ins Wort. Sie zerbricht das Glas! Obwohl das bestimmt auch wertvoll war und sie es normal hätte öffnen können.

Der Pfarrer lacht. Micha, Du könntest Pfarrerin werden. Stimmt genau. Das Zerbrechen des Gefäßes könnte ebenfalls auf die kommende Leidensgeschichte Jesu vorausdeuten.

Salbt man nicht auch Tote?“ will Tom wissen. „In der Ostergeschichte gehen die Frauen doch extra ans Grab, um Jesus zu salben.“

Ja. Und Jesus weiß es genau, auf was die nächsten Tage hinauslaufen werden. Er sagt ja: Sie hat meinen Leib im Voraus gesalbt, für mein Begräbnis.

Jan: „Also hat sich doch nichts verschwendet, sondern alles richtig gemacht. Schade dass, wir ihren Namen nicht kennen“.

Micha hebt ein Buch hoch. Ich kenne ihren Namen!

Wie das?

Ich habe meine Mutter gefragt, ob sie die Geschichte kennt und sie hat mir daraufhin ein Buch gegeben, das sie in ihrer Jugend gelesen hat. Einen Roman über Leben und Verkündigung, Sterben und Auferstehung des Jesus aus Nazareth. Das Buch heißt Miriam und stammt von Luise Rinser. Meine Mutter meint, das sei eine große Literatin. Kennen Sie es?

Der Pfarrer nickt. Ich habe es auch einmal gelesen. Ein toller Roman, bei dem man enorm viel über Politik und Lebensverhältnisse im Palästina unter römischer Besatzung vor 2000 Jahren, aber auch ein Buch vom Ringen um den Glauben an den Menschen und Gesalbten/Messias Jesus. Allerdings ein Roman, kein Evangelium; deshalb ist der Name Spekulation.

Hast Du mal ein bisschen drin gelesen?

Micha nickt begeistert. Eigentlich ist das noch viel zu wenig. Sie hat das Buch in den letzten Tagen geradezu verschlungen.

Meine Mutter hat mir sie Stelle herausgesucht, die diese Szene erzählt.

Soll ich sie mal vorlesen?“

Gerne!

Die Jesus-Geschichte wird erzählt aus der Sicht der Ich Erzählerin, Maria aus Magdala, Mirjam genannt. Jesus wird einfach "er" oder "Rabbi" genannt.

"Ich sah die kleine Gruppe vom See her kommen ... .

Es war Mittag, Zeit für die Mahlzeit. Er und die Seinen ... traten ins Haus ein.

Ich sah ihnen nach, das Tor blieb offen.

Wie, wenn ich einträte, uneingeladen, eine Frau, eine Fremde, oder vielleicht erkannt als 'die aus Magdala', 'die mit dem bösen Blick' ...?

Was geschähe? Man wiese mich hinaus.

Sicherlich.

Und ER?

Gleichviel, ich übersprang die Hürde, es musste sein, die Stunde war da, jetzt, oder aber nie: ich trat ein.

Keiner hielt mich zurück. Es wurde nur sehr still im Raum, als hielten alle den Atem an. Als hielte das Schicksal selbst den Atem an. Da stand ich nun vor ihm.

Ich zog eins meiner Alabasterfläschchen heraus und zerschlug es an der Tischplatte. Der Raum füllte sich mit Wohlgeruch. Das Salb-Öl der Könige. ...

Die Szene hatte die Männer sprachlos gemacht. ...

Der Gastgeber murrte, peinliche Missstimmung breitete sich aus. Der Rabbi wartete das Ende des Mahles nicht ab. ...

Er winkte seinen Jüngern und mir, und wir gingen hinaus.

Ein Skandal. Einer von vielen, die ich später miterlebte."

Ich stand unschlüssig.

Worauf wartest du? Komm!

Ich kam. Ich blieb. Bis unters Kreuz folgte ich ihm. Bis heute bin ich die Seine."

(Zitiert nach dem Roman von Luise Rinser “Mirjam”, Frankfurt/Main 61983, S. 52f)

Saskia: Sie haben doch gesagt, man darf auch Lieder mitbringen. Ich habe eines von Nena. Kennen Sie die? Das ist die von Voice of Germany.

Liebe will nicht
Liebe kämpft nicht
Liebe wird nicht
Liebe ist
Liebe sucht nicht
Liebe fragt nicht
Liebe fühlt sich an, wie du bist

(Nena – „Liebe ist“)

Das passt toll dazu.

Hat die Frau Jesus geliebt? will Jan wissen.

Vielleicht. Bei der erfundenen Mirjam ist es so. Und es gibt Leute, die haben große Abhandlungen darüber geschrieben, ob Jesus eine Freundin hatte.

Aber was ist genau Liebe. Liebe ist doch mehr als Verliebt sein, als Schmetterlinge im Bauch. Liebe ist so vieles mehr.

Vielleicht will und das die Geschichte auch sagen. Jesus und Du, das ist mehr als im Kopf mit dem Verstand sagen: Ja, das war ein toller Mann. Es ist mehr als sich um die Armen und Hilfsbedürftigen in der Welt kümmern. Es ist vielleicht auch mehr als einfach ein Kreuz als Kettchen tragen, dass man an der Konfirmation geschenkt bekommt.
Jesus und Du. Jesus und ich. Das ist eine Geschichte voll Liebe und Hingabe.

Micha weiß, was der Pfarrer meint. Im Buch von Luise Rinser über Jesus hat sie drei Sätze angestrichen. Beim Lesen wusste sie es plötzlich. Es waren die Sätze, die ihre Konfirmandenzeit beschreiben würden:

Ich kam. Ich blieb. Ich folgte ihm.

AMEN

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